37. Berliner Halbmarathon - Debut für Katrin und PB für David
6:20 Uhr der Wecker klingelt, nun ist der große Tag gekommen. Ein Blick aus dem Fenster: Der Berliner Hauptbahnhof gehüllt grau in grau, der Fernsehturm umgeben von lilagrauen Wolken, es soll nicht ganz so warm werden wie an den vergangenen zwei Tagen. Auch wenn die Ziele von Katrin und David für diesen 37. Berliner Halbmarathon recht unterschiedlich sind, so werden sie in diesen ersten Minuten des Tages von den gleichen Gedanken umgeben: Was erwartet mich heute? Habe ich gut trainiert? Wird die Stimmung am Streckenrand mich bis ins Ziel tragen? Kann ich heute über mich hinauswachsen? Wie sehr werde ich leiden und wie bereit bin ich den Kampf anzunehmen? Was machen die Wehwehchen der letzten Tage in Hüfte, Bein und Fuß?
Ausblenden. Fokussieren. Zunächst einmal frühstücken, Energie tanken und nochmal den Plan für das Rennen abstimmen. Nach einem letzten Check der Ausrüstung geht es mit der Bahn zum Start. Die Bahnsteige sind an diesem Morgen gesäumt von Gleichgesinnten, die Ablenkung tut gut, die Stimmung ist locker und doch wirkt jeder Einzelne fokussiert. Vor dem Start-Zielbereich heißt es Schlange stehen, kollektive Blasenentleerung. Die Einlasskontrolle verläuft zügig. Nun sind es noch gute 20 Minuten bis zum ersten Start. David wird mit der ersten Welle um 10:05 Uhr auf die Strecke gehen, Katrin ca. 40 Minuten später. Gleich sind die Beiden auf sich gestellt: Glückwünsche, Zuspruch, Einpeitschen, ein Kuss, dann läuft David zum Startblock. Kurz davor trifft er Damian vom LSF Münster, das Gespräch mit seinem ehemaligen Vereinskollegen lässt die letzten Minuten verfliegen.
Peng. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das rollende Feld der Läufer und die tosenden Zuschauer erzeugen ein unbeschreibliches Geräusch, einen Sog voller Energie und Emotionen, Gänsehaut von Kopf bis Fuß. Die ersten Kilometer vergehen zügig und David überholt zahlreiche Läuferinnen und Läufer. Bei Kilometer drei, folgt bereits das nächste Highlight, die Zuschauer stehen dicht an dicht und säumen den Weg zum Brandenburger Tor. Da auf der ersten Rennhälfte spürbarer Gegenwind an den Kräften rauben soll, versucht David eine gute Gruppe zu finden. Dies gelingt zunächst bedingt, da einige Läufer die ersten Kilometer doch schneller angegangen sind. So arbeitet sich David durch mehrere Gruppen hindurch und schafft es dabei das Tempo konstant zu halten. Bei Kilometer fünf wird die Siegessäule passiert, was für ein großartiges Gefühl. Nun hat David auch eine kleine Gruppe gefunden, die einen Schnitt von 03:30/km abspult. Bis Kilometer acht gibt es fast keine Beschwerden, dann signalisiert die Achillessehne das erste Mal: Lauf nicht so viel Vorfuß Junge.
10:40 Uhr, nun steigt auch bei Katrin die Nervosität. Die letzten Minuten vor ihrem ersten Halbmarathon beginnen. Erst Ende letzten Jahres hat sie mit dem Laufen begonnen. Wie wird es sich anfühlen 21,0975 Kilometer zu laufen? Werde ich es schaffen? "Die Spitzengruppe hat soeben Kilometer 10 passiert", jäh wird Katrin aus ihren Gedanken gerissen. Der Startschuss fällt und die Läuferinnen und Läufer setzen sich in Bewegung. Was für eine gigantische Masse. Auch wenn das Rennen größtenteils über mehrspurige Straßen verläuft, ist das Gedränge groß, es ist wenig Platz. Einige peitschen los, als wäre das Rennen bereits am Brandenburger Tor beendet, sie laufen im zick-zack durch die Menge, die haben mit Sicherheit verschlafen und die erste Startgruppe verpasst. Die Stimmung auf den ersten Kilometern ist atemberaubend und doch fällt des erste Viertel des Rennens nicht leicht. Die Wolken sind der Sonne gewichen und es ist jetzt schon deutlich wärmer als vor einer Stunde. Weitermachen, 15 Kilometer habe ich auch im Training locker geschafft. Da hat Katrin bereits den nächsten Kilometer geschafft und steuert eine Verpflegungsstation an.
David hat nun Kilometer 14 passiert. Das Tempo war bis hierhin ziemlich konstant (03:30/km), doch Davids Gruppe fällt auseinander und nun beginnt der Kampf gegen sich selbst. Wie lange kann ich das Tempo gehen? Nicht langsamer werden, Arme mitnehmen, locker bleiben, Schritt lang, komm noch einen Kilometer in 03:30. Auf den letzten fünf Kilometern wird der Kurs etwas wendiger, die Kilometer fühlen sich länger an. Ein Zuschauer ruft: "Ist nicht mehr weit, gleich hast Du's!" Was? Ist der jemals in seinem Leben fünf Kilometer am Stück gelaufen? Die Kilometerzeiten wollen nicht mehr unter 03:38 fallen. Lauf so weiter Junge, dann bleibst Du unter 1:15 Stunde. Die letzten zwei Kilometer bereiten erbarmungslose Schmerzen. Kilometer 20: Die Zuschauer stehen Spalier, sie lassen den Läufern nur den Platz um die blaue Linie. Jetzt die Arme hochreißen, die Zuschauer animieren, der Geräuschpegel steigt, es ist unbeschreiblich mit welcher Euphorie jeder einzelne Läufer nach vorne gepeitscht wird. Da, die Zielgerade ist in Sichtweite, ein Blick auf die Uhr, es wird reichen. Eine letzte Kurve, die letzten 200m, was für ein Genuss. 1:14:39 neue PB und Platz 106 gesamt.
Zur selben Zeit befindet sich Katrin noch vor Kilometer 10, es wird nicht wirklich leichter. Zum Glück gibt es so viel zu schauen, das Schloss Charlottenburg, den Kurfürstendamm, die Gedächtniskirche, und und und... Die zahlreichen Bands tragen ebenfalls zu einer einmaligen Atmosphäre bei und animieren zum Durchhalten. Hier eine 20 Mann starke Gruppe Trommler, eine Blaskapelle, Reggae Musiker und eine italienische Band. Die Stadt Berlin zeigt sich auch heute wieder in ihrer atemberaubenden Vielfalt. Bei Kilometer 10 hat Katrin eine sehr gute Durchgangszeit von 1:05:35. Auch wenn die Beine jetzt schwer werden, eine Gehpause ist keine Alternative. Weiter, immer weiter. Und wer hätte gedacht, dass die Beine auf den letzten fünf Kilometern noch schwerer werden können? Die Gefühle schwanken zwischen: Ich muss immer noch vier Kilometer laufen und bald hab ich's geschafft. 800 Meter vor dem Ziel wartet David und ruft: "Gleich bist Du da, nur noch Mal genießen." Hä? Spinnt er jetzt vollkommen? Genießen? Ich quäle mich seit über einer Stunde. Doch voller Stolz vor dieser großartigen, ausdauernden Leistung, begleitet er sie bis zur Zielgeraden. Und da ist die ersehnte Ziellinie, ein überwältigendes Gefühl, traurig-froh vor Glück und der eigenen Leistung: 2:29:51 beim ersten Halbmarathon, das kann sich sehen lassen.
Danke Berlin für diesen perfekten Tag.